„Nicht ganz talentfrei“
„Mir taugt es, wenn ich etwas weitergeben kann“Birgit Fellner
Birgit Fellner, Trainerin der Frauenmannschaft im SC Regensburg, Gesicht des Frauenfußballs in der Oberpfalz:
Ich glaube, dass Mannschaftssportler einen Tick sozialer unterwegs sind als Individualsportler, Egoismus ist ganz weit weg von mir. Am Fußball gefällt mir der Zusammenhalt – das ist ein absolutes Miteinander. Angefangen hab ich mit knapp sechs Jahren in meiner Heimat Furth im Wald. Meine zwei älteren Brüder spielten Fußball, da schickten unsere Eltern auch meinen Zwillingsbruder und mich ins Training. Wir waren anfangs nur zwei Mädchen, später drei. Offenbar war ich nicht ganz talentfrei: Später war ich in der ansonsten männlichen D-Jugend zwar das einzige Mädchen, aber Spielführerin und als zentrale Mittelfeldspielerin schon so ein bisschen die Spielgestalterin. Mit 16 wechselte ich in die Damenmannschaft meines Heimatvereins.
Von Furth im Wald nach Regensburg
Sechs Jahre später, im Januar 2006, wurde bei der Hallenbezirksmeisterschaft der SC Regensburg auf mich aufmerksam. Als BOL-Team und krasser Außenseiter hatten wir den damaligen Bayernligisten, der kurz darauf immerhin in die 2. Bundesliga aufstieg, am Rande einer Niederlage. Wir führten 3:0, alle Tore durch mich. Regensburg glich in sprichwörtlich letzter Sekunde noch zum 3:3 aus. Beim 7-Meter-Schießen verschoss ich den entscheidenden letzten Schuss – und der SC qualifizierte sich für die Bayerische.
Ich wurde an diesem Tag zur Spielerin des Turniers ernannt und hatte prompt erste Gespräche mit den SC-Verantwortlichen. Im Laufe der Rückrunde riefen sie nochmal bei mir an und überzeugten mich zu einem Wechsel in die 2. Bundesliga. Von da an pendelte ich fünf Mal die Woche nach Regensburg, hatte aber ein halbes Jahr keinen einzigen Einsatz in der Bundesliga. Ich trainerte zwar mit der Mannschaft, spielte aber im Landesligateam. Ich musste mich an das Leistungsniveau erst anpassen, das Spiel war einfach viel schneller als ich es gewöhnt war. Damals war ich in Furth als Physiotherapeutin angestellt. Weil ich irgendwann nicht mehr pendeln wollte, zog ich 2007 nach Regensburg.
Mit 25 das Sportstudium begonnen
Ich machte an der BOS das Abi nach, jobbte nachmittags als Physiotherapeutin, ging abends ins Training und spielte mich langsam in die Mannschaft hinein. Es war eine extrem anstrengende Zeit, aber es lohnte sich. Mit 25 hatte ich das Abi in der Tasche und schrieb mich an der Uni ein: Sowohl Lehramt mit dem Hauptfach Sport als auch Bewegungswissenschaften. Nach Studiumsabschluss bekam ich 2015 die Gelegenheit, im Fifa Medical Center der Uniklinik Regensburg an einem Forschungsprojekt teilzunehmen. Wir forschen zu Fußballverletzungen und Verletzungsprävention im gehobenen Amateurfußball. Über dieses Projekt schreibe ich an der Uni gerade meine Doktorarbeit und arbeite in der Lehre des Sportinstituts. Ich gebe also meine Erfahrung aus Therapie und Sportwissenschaft an die Sportstudenten weiter, was mir unsagbar viel Spaß macht.
Plötzlich Trainerin
Mit dem SC Regensburg haben wir zwei Jahre in der 2. Bundesliga gespielt, zwei Jahre in der Regionalliga und haben dann sechs Jahre in der Bayernliga Punkte gesammelt. Ich war lange Spielführerin und fester Bestandteil in dieser Mannschaft. erst im zentralen Mittelfeld, später in der Innenverteidigung. Nachdem unser langjähriger Trainer eine neue Herausforderung suchte und dessen Nachfolger aus gesundheitlichen Gründen noch während seiner ersten Saison aufhörte, stand der SC erstmal ohne Trainer da. Ich sprang ein, bis ein neuer gefunden werden sollte.
Die Position des Spielertrainers hatte ich selbst schon immer sehr kritisiert – sie war das Letzte was ich machen wollte. Nun war ich es aber – keine leichte Aufgabe. Man muss selbst zu 100 Prozent seine Leistung abrufen, um nicht anfechtbar zu werden, oder eben sein Ego nicht über die Leistung der anderen stellen. Bei mir wurde es Zweiteres. Nach einer Verletzung in der Winterpause und durch die Doppelbelastung kam ich an meine frühere Leistung nicht mehr wirklich ran und verbannte mich von da auf die Bank. Zu Beginn noch mit Trikot unter den Trainerklamotten – mittlerweile nehme ich meine Fußballsachen gar nicht mehr mit.
Fünf Wochen lang gefeiert
Viele Spielerinnen aus dem Team sind seit Jahren teils sehr enge Freundinnen von mir. Deshalb war es anfangs sehr schwer für mich, eine Freundin auf die Bank zu setzen und ihr zu sagen, dass sie an diesem Spieltag nicht spielt. Aber die Mannschaft war absolut loyal mir gegenüber und hielt zusammen. In der Bayernligasaison 15/16 entwickelte sich ein Teamgeist beim SC, den ich so zuvor noch nie erlebt habe. Ich behaupte, dass dies ein entscheidender Faktor dafür war, dass wir gleich in meiner ersten Trainersaison den Aufstieg in die Regionalliga schafften. Das war bisher mein größter Erfolg, und es hat irrsinnig Spaß gemacht. Wir haben fünf Wochen lang gefeiert. Den fließenden Übergang von der Spielerin zur Trainerin hatte ich nie gewollt. Aber den Mädels gefiel es, die Erfolge waren da, da kannst du nicht mehr aus.
„Mir taugt es, wenn ich etwas weitergeben kann“
Gerade spielt meine Mannschaft eine tolle Regionalligasaison. Wir sind Tabellenfünfter und erkämpfen uns Woche für Woche die Punkte für den Klassenerhalt. Ich selbst habe es nicht mehr geschafft, mich zurückzukämpfen. Außerdem funktioniert das Team so gut, dass es sportlich für mich keinen Grund gibt, mich wieder aufzustellen. Manchmal kribbelt es sicher noch und ich würde gerne spielen, aber mittlerweile gehe ich im Trainerjob absolut auf.
Mir taugt es, wenn ich etwas weitergeben kann. Die Kombination aus Trainerin, Physiotherapeutin, Sportwissenschaftlerin und Athletikcoach kommt mir absolut zugute. So spielt das Athletiktraining eine große Rolle in unseren Trainingseinheiten.
Außerdem finde ich es total interessant, wenn ich eine Spielidee habe und man sieht, dass die Mädels versuchen, sie umsetzen. Ich hab schon Temperament als Trainierin, wirke von der Seitenlinie aus ein, helfe meinen Mädels im Spiel. Sie mögen das, und ich freue mich, wenn sie sich weiterentwickeln. Wir gewinnen als Mannschaft.
Gelassen gegen die Verbissenheit
Während der Saison lebe ich sehr Fußball-lastig, aber ich mache auch andere Sachen. Im Winter fahre ich gern Ski, habe den Skilehrer-Schein. Fußball ist für mich auch eine innere Verpflichtung.
Es ist viel Idealismus dabei, keine von uns bekommt Geld. Auch als höherklassige Fußballerin betreibst du eine Randsportart. Die Mädels investieren sehr viel Zeit und Energie. Unsere Auswärtsspiele finden in ganz Süddeutschland statt – und das zu 100 Prozent unentgeldlich. Das ist der große Unterschied zum Herrenbereich. Deshalb find ich es sehr wichtig, die 13 auch mal gerade sein zu lassen, das Hobby nicht verbissen zu sehen.
Wenn meine Mädels vom Spiel gerädert sind oder ich einfach mal merke, dass Sie gerade fußball-müde sind, lasse ich am Tag drauf das Training schon mal ausfallen. Ich sehe das gelassen. Vielleicht ist auch das ein Schlüssel unseres Erfolges ☺